Kostenvorschuss im Baurecht darf laienhaft geschätzt werden!
„Der Anspruch auf Kostenvorschuss gemäß § 637 Abs. 3 BGB kann aus der Sicht eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden und sachkundig beratenen Auftraggebers geltend gemacht werden, um die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten zu decken. Der Auftraggeber muss weder sachverständige Beratung in Anspruch nehmen noch Kostenvoranschläge einholen. Er darf die Kosten laienhaft schätzen.“
OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2017 – 22 U 134/16
Problem/Sachverhalt:
Der Bauherr (Auftraggeber = AG) beauftragte einen Unternehmer mit der schlüsselfertigen Erstellung eines Zweifamilienhauses. Die Fassadenarbeiten (Wärmedämmverbundsystem) wurden durch eine Nachunternehmer ausgeführt, der die Arbeiten mangelhaft ausgeführt hat. Daraufhin forderte der AG den Unternehmer erfolglos zur Mängelbeseitigung auf. Der AG holte ein Privatgutachten und Kostenvoranschläge ein, wonach sich die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten auf insgesamt knapp 24.000,00 € belaufen sollen. Diesen Betrag machte der AG als Kostenvorschuss gerichtlich geltend. Im Gerichtsverfahren stellte der gerichtlich beauftragte Sachverständige fest, dass Kosten zur Mangelbeseitigung lediglich in Höhe von 5.000,00 € angemessen sind. In Höhe des überschießenden Betrages wird die Klage abgewiesen.
Rechtslage:
Kommt der Unternehmer der Mangelbeseitigung trotz Aufforderung und angemessener Fristsetzung nicht nach, so kann der AG den Mangel im Wege der Selbstvornahme selbst oder durch einen Unternehmer beseitigen lassen und den Ersatz der hierfür erforderlichen Aufwendungen verlangen (§ 637 Abs. 1 BGB). Will der AG jedoch nicht das Kostenrisiko tragen, welches bei Baumängeln ein erhebliches Maß ausnehmen können, kann er auch alternativ einen Kostenvorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB verlangen und so sicherstellen, dass falls das Gericht Mängel an der Leistung des Unternehmers feststellt, der AG diese auf jeden Fall vom Unternehmer ersetzt verlangen kann. Um diese Frage dreht sich der Fall, wobei hier entscheidend ist, ob die weitaus höher geschätzten Kosten des AG zur Mangelbeseitigung gerechtfertigt waren oder er nur die niedrigeren geschätzten Kosten des Sachverständigen verlangen kann.
Entscheidung:
Das Gericht hat entschieden, dass dem AG der Kostenvorschussanspruch aus Sicht eines vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Bestellers grundsätzlich zusteht. Die Höhe kann dabei bei Vorliegen greifbarer Anhaltspunkte geschätzt werden. Die Anforderungen an die Darlegungslast des AG zur Höhe der voraussichtlichen Kosten sind nicht hoch. Der AG muss weder sachverständige Beratung in Anspruch nehmen noch Kostenvoranschläge einholen, um die Kosten darzulegen und geltend machen zu können. Er darf die Kosten daher laienhaft schätzen. Der Vorschuss kann grundsätzlich aufgrund einer groben Schätzung zuerkannt werden, weil der Vorschuss vorläufiger Natur ist und Überschüsse vom AG gegebenenfalls zurückgezahlt bzw. Nachforderungen vom AG gestellt werden können. Im vorliegenden Fall kann der AG jedoch nur die vom Gutachter geschätzten Kosten in Höhe von 5.000,00 € verlangen. Alle darüberhinausgehenden Kosten sind nicht nachvollziehbar dargelegt worden.
Praxishinweis:
Die Entscheidung bestätigt die gängige Linie des Bundesgerichtshofs, dass an die Darlegung eines Vorschussanspruchs keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Jedoch ist es im Prozess durchweg die Regel, dass der Unternehmer die Angemessenheit des verlangten Vorschusses bestreitet. Daher muss sodann Beweis erhoben werden über die Höhe durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Stellt sich nach Einholung dieses Gutachtens heraus, dass die vom AG geltend gemachten Kosten zu hoch sind, unterliegt der AG in Höhe der Differenz und muss insoweit auch die Verfahrenskosten tragen. Daher empfiehlt es sich, in solchen Fällen Kostenvoranschläge von Unternehmen einzuholen, da so das Kostenrisiko besser abgeschätzt werden kann. Auch empfiehlt es sich bei Unsicherheit über die Kosten der Nachbesserung einen zunächst geringen Betrag zu verlangen, da im Ausspruch feststeht, dass im Falle eines Mangels der Unternehmer alle Kosten tragen muss, auch wenn diese in der tatsächlichen Ausführung sodann über die geschätzten Kosten eines Sachverständigen gehen. Dadurch wird das Verfahrensrisiko für den AG abgemildert.
Veröffentlichung: 05.05.2017