Notarin Esther Czasch

Wann verjährt der Anspruch der WEG auf mangelfreie Herstellung des Gemeinschaftseigentum?

Wann verjährt der Anspruch der WEG auf mangelfreie Herstellung des Gemeinschaftseigentum?

Immer wieder eine oft angesprochene Frage: Wann verjährt der Anspruch eines Auftraggebers, wie z.B. einer Wohnungseigentümergemeinschaft (= WEG), auf Vertragserfüllung, wenn keine Abnahme vorliegt. In der Praxis kein allzu seltenes Phänomen. Sei es, dass wegen Streitigkeiten zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer es nie zu einer förmlichen Abnahme gekommen ist, oder weil die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch vollzogen wurde und dieser Punkt quasi „vergessen“ wurde zu protokollieren. Schwierigkeiten bereitet es jedoch, wenn sich nun doch Mängel herausstellen.

Es muss nämlich danach unterschieden werden, in welchem Vertragsstadium sich die Parteien befinden. Vor der Abnahme befinden sich die Parteien noch in der sog. Erfüllungsphase. Kommt der Auftragnehmer in dieser Phase seinen vertraglichen Pflichten nicht nach, kann der Auftraggeber, z.B. die WEG, gemäß § 631 Abs. 1 BGB Erfüllung und bei Schlechtleistung u.a. Schadensersatz gemäß §§ 280 BGB ff. verlangen. Für diese Ansprüche gilt grundsätzlich die 3-jährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB beginnend gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Auftraggeber von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Liegt hingegen eine Abnahme gemäß § 640 BGB vor, wandelt sich die Erfüllungsphase in die sog. Gewährleistungsphase. Ab diesem Moment richten sich die Ansprüche des Auftraggebers nach § 634 BGB. Die Gewährleistungsansprüche wegen Baumängeln verjähren gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich innerhalb von 5 Jahren ab Abnahme.

Das heißt, Ansprüche des Auftraggebers vor und nach der Abnahme können zu unterschiedlichen Zeitpunkten verjähren. Nun ist aber heftig umstritten, welche Fristen bei nicht erfolgter Abnahme gelten: 3-jährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB, 5-jährige Verjährungsfrist gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB oder eine ganz andere und ab wann diese Frist zu laufen beginnt. Hierzu gibt es viele Meinungen, aber bislang noch kein klares Bild innerhalb der Rechtsprechung.

Teile der Rechtsprechung (z.B. OLG Naumburg, Urt. v. 27.11.2013 – 6 U 2521/09; OLG Karlsruhe, Urt. v. 09.03.2010 – 19 U 100/09; OLG Hamm, Urt. v. 21.02.2008 – 21 U 3/07) vertreten die Auffassung, dass wenn noch keine Abnahme vorliegt, Gewährleistungsrechte auch nicht entstehen können, sondern der Auftraggeber auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht nach §§ 280 BGB ff. verwiesen ist. Das bedeutet, dass Mängelansprüche schon nach 3 Jahren verjähren können.

Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber die Auffassung vertreten, dass solange das Werk noch nicht abgenommen ist und auch sonst keine Umstände vorliegen, nach denen das vertragliche Erfüllungsverhältnis, insbesondere durch die endgültige Verweigerung der Abnahme, als beendet angesehen werden kann,  die Verjährungsfrist für die Gewährleistungsansprüche nicht zu laufen beginnt. Erst mit endgültiger Abnahmeverweigerung geht die Erfüllungsphase in die Gewährleistungsphase über. Ab dann beginnt die 5-jährige Gewährleistungsfrist (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1969 – VII ZR 177/67; BGH, Urt. v. 20.12.1973 – VII ZR 153/71; BGH, Urt. v. 08.07.2010 – VII ZR 171/08; OLG Brandenburg, Urt. v. 05.07.2012 – 12 U 231/11; BGH, Beschl. v. 20.03.2014 – VII ZR 225/12; zustimmend OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.04.2019 – 5 U 91/18). Folge für Bauträger: Er wäre den Mängelansprüchen der Erwerber auf unabsehbare Zeit ausgesetzt. Zum alten Recht hat der BGH noch ausgeführt, dass in diesen Fällen unter Umständen eine Verwirkung in Betracht kommen könnte (BGH, Urteil vom 08.07.2010 – VII ZR 171/08, Rz. 27, IBRRS 2010, 3158). Für das neue Recht fehlt bislang eine Klarstellung, ob die Rechtsprechung auch weiter gilt.

Nunmehr gibt es ein aktuelles Urteil des OLG Köln, welches besagt, dass wenn eine Abnahme des Objekts noch nicht erfolgt ist, die Erfüllungsansprüche der Erwerber, hier der WEG, in der Maximalverjährung von 10 Jahren nach Vertragsschluss verjähren (OLG Köln, Urteil vom 21.08.2020 – 19 U 5/20). Der bei nicht erfolgter Abnahme anzunehmende Erfüllungsanspruch ist gem. § 199 Abs. 4 BGB nach der 10-jährigen Verjährungshöchstfrist verjährt. Entstanden sei der Erfüllungsanspruch mit Vertragsschluss.

Was gilt nun? Kann man sich 3, 5 oder 10 Jahre aussuchen? Wie immer gilt auch hier: Es kommt auf den Einzelfall an. Geklärt ist diese Frage sicher nicht und es kann nicht pauschaliert werden. Zu beachten ist aber, dass möglicherweise durch die neue Entscheidung des OLG Köln eine maximale Grenze anzusetzen sein kann, so dass man ab diesem Zeitpunkt Rechtssicherheit erlangen kann. Denn dogmatisch sind hier zwei Dinge zu trennen: Einmal die Frage, wann Gewährleistungsansprüche bestehen. Vor der Abnahme kann der Auftraggeber grundsätzlich keine Gewährleistungsansprüche nach § 634 BGB geltend machen; er hat („nur“) einen Anspruch auf Erfüllung gemäß § 631 BGB und ggf. Ansprüche aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht (§§ 280 BGB ff.). Erst bei Vorliegen eines Abrechnungsverhältnisses bestehen sodann Gewährleistungsansprüche nach § 634 BGB. Hiervon abzugrenzen ist die Frage, wann Mängelansprüche verjähren. Die Verjährung solcher Ansprüche beginnt einheitlich und frühestens mit der Abnahme oder alternativ mit dem Entstehen eines Abrechnungsverhältnisses; die Frist beträgt 5 Jahre gemäß     § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB. Folgt man der ersten Tendenz in der Rechtsprechung, wäre der Auftraggeber bei fehlender Abnahme schlechter gestellt von der Verjährung her. Ob das gerecht und billig erscheint, ist die Frage.

Um Streitigkeiten darüber zu vermeiden, wann Ansprüche verjähren, hat es der Auftragnehmer in der Hand, für Klarheit zu sorgen, indem er den Auftraggeber unter Fristsetzung zur Abnahme auffordert. Gleichwohl kann der Auftraggeber Mängelansprüche nicht grenzenlos geltend machen; er kann diese auch verwirken, § 242 BGB. Verwirkung liegt dann vor, wenn der Berechtigte ein ihm zustehendes Recht längere Zeit nicht geltend macht und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, dass der Berechtigte das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde.

Veröffentlichung: 02.03.2021

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